2009-03-12

Sündenböcke

Aufgrund der Tatsache, dass auch die seriösere Presse die Schuld am gestrigen Amoklauf (wo ist eigentlich der nüchternere Tatsachenbericht auf tagesschau.de von gestern geblieben?) wieder einmal bei den Computerspielen sucht, die der Täter gespielt hat, sehe ich mich als aktiver Gamer gezwungen, ein paar Gedanken zu dem Thema zu formulieren.


Bitte versteht mich nicht falsch. Ich finde es schrecklich, dass solche Dinge passieren. Schrecklich vor allem für die Hinterbliebenen der Opfer, die wahrscheinlich gar nichts mit dem Täter zu tun hatten, nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Aber ich möchte mich nicht in scheinheiligen Bekundigungen meiner Bestürzung ergehen, wie unsere Regierung es tut, um dann mit dem Zeigefinger anklagend auf den erstbesten Sündenbock zu zeigen - den PC-Spielen.

Obwohl entsprechend ermittelt wird, fällt für die Presse fast unter den Tisch, dass die Eltern des Täters zahlreiche scharfe Waffen besassen, die Tatwaffe unverschlossen im Schlafzimmer lag und der Junge durch realen Schießsport im Umgang mit Waffen geübt war.
Ich habe selbst, früher einmal, reine Shooter gespielt, etwa zu der Zeit, als das umstrittene CounterStrike aufkam, aber damit aufgehört. Trotzdem spiele auch ich nicht unblutige 18er-Versionen von Spielen wie z.B. Fallout 3, auch wenn deren Spielinhalt wesentlich mehr zu bieten hat, als das Töten mehr oder minder menschenähnlicher Figuren.
Das än
dert jedoch nichts an der Tatsache, dass ich im realen Leben nicht einmal wüsste, wie ich eine Pistole entsichere - und mit einer geladenen Waffe ganz sicher nicht freiwillig so lange herumfummeln würde, bis ich es herausfinde. Meine realen "Erfahrungen" mit Waffen belaufen sich auf zwei oder drei äußerst kläglich verlaufene Besuche an Jahrmarkt-Schießbuden. Zusammengefasst wäre ich wahrscheinlich mit einem Gewehr am Effizientesten, wenn ich es ungeladen als Knüppel benutzen würde.

Ich denke, so oder so ähnlich wird es vielen Zockern gehen. Trotzdem werden PC-Spiele von der Presse weiterhin als Sündenbock zerrissen. Vor einigen Jahren waren es Horrorvideos, davor Heavy Metal-Musik. Gemeinsamkeiten im häuslichen und sozialen Umfeld der Täter - Waffenbesitz der Eltern, Mitgliedschaft in Schießsportvereinen, Vereinsamung, etc. werden dabei von der Öffentlichkeit gern übersehen.
Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, kann ich mir auch Rache als Motiv vorstellen. Lehrer und Mitschüler können ziemlich grausam sein. Noch heute gibt es manchen alten Lehrer, dem ich gern die Meinung geigen würde. Natürlich nicht mit vorgehaltener Waffe.


Jetzt werden wieder die Stimmen laut, die verlangen, Gewalt- und Killerspiele in Deutschland ganz zu verbieten. Was nützt das?
Es gibt bereits Gesetze, um Kinder und Jugendliche vor Gewaltspielen schützen. Trotzdem geisterten schon zu meiner Schulzeit VHS-Kassetten und Disketten mit indizierten und verbotenen Videos und Spielen auf den Schulhöfen um. Das Internet macht es heute nur noch leichter, an so etwas heranzukommen.
Meiner Meinung nach würde mit einer Gesetzesverschärfung nur Verantwortung abgewälzt und mündigen Bürgern eine Zensur auferlegt. Gestraft würden dadurch nur diejenigen, die gar nicht betroffen sind, geschützt würde niemand. Es wäre ein Schritt, der uns von Meinungs- und Medienfreiheit entfernt.