2008-02-20

Gedankenteig

Der Verstand scheint eine träge Masse zu sein. Rührt man nicht ständig darin herum, setzt er sich am Boden ab und erstarrt zu einem leblosen Klumpen.
Gleichzeitig geht auch die Fähigkeit verloren, Erlebtes zu reflektieren und damit eben jene Dinge zu schätzen, die das Leben erst lebenswert machen.

Dazu gehört es, mitten in der Nacht auf Zehenspitzen ins eiskalte Schlafzimmer zu schleichen, schon bei der bloßen Erwartung der klammen Decken zitternd.
Und dann, während man unter selbige kriecht, von wohliger Wärme empfangen zu werden und sich freuen zu können, weil einem ein liebender Mensch eine Wärmflasche ins Bett gelegt hat.

Der Blick für die wirklich wichtigen kleinen Dinge ist es, der als erstes schwindet, der Blick für das Wesentliche.
Ohne gelingt es nicht, die Hand zu führen, um mit wenigen Strichen eine Form erkennbar aufs Papier zu bannen. Ohne vermag man die Worte nicht zu finden, die das richtige Bild oder Gefühl im Kopf des Lesers entstehen lassen. Alles andere ist Technik. Erlernbar, wenn auch vielleicht nur durch Mühe und Fleiß. Notwendig, aber allein nicht genug.

Wärmflaschen und kreatives Schaffen haben gewöhnlich nicht viel mit einander zu tun. Mir geht es aber vor allem darum, zähe gewordene Gedanken zu walken, bis sie wieder zu einem geschmeidigen Teig werden.

2008-02-15

Spiegelstille

Ich kann mich der grellbunten und lauten Welt da draußen nicht ganz entziehen. Im Gegenteil. Ohne ständige Reizüberflutung entsteht Langeweile. Ein Gefühl der Leere.

Solcherlei Leere lässt sich mühelos durch eine künstliche Welt auffüllen, die in ihren Farben und Tönen selbst die Realität noch übertüncht.
Hier wie dort sind die Menschen mit denselben Problemen beschäftigt. Durch die relative Anonymität mag das Ganze vielleicht abstrakter wirken, doch unterscheidet es sich im Grunde kaum. Das Streben nach Macht, Geld und Statussymbolen. Zwischenmenschliches. Alles im Zeitraffer, denn selbst in ihrer Freizeit haben es alle furchtbar eilig, wollen möglichst schnell möglichst hoch hinaus. So wird das vermeintliche Spiel zu nichts anderem als einem Zerrspiegel der Realität.

Obwohl es doch bezeichnend für unsere Gesellschaft ist, dass ich Glückwünsche aus allen Ecken und Enden des Landes bekommen habe, aber die Nachbarn im selben Haus nicht einmal wissen, dass ich gestern Geburtstag hatte, will ich hier nicht über die Probleme virtueller Welten lamentieren.

Vielmehr interessiert mich die Frage, was geschieht, wenn man den Spiegel zerschlägt, und der Stille in sich lauscht, die auf das Klirren folgt.

2008-02-14

Treibgut

Für mich beginnt heute ein neues Lebensjahr. Ein neuer Abschnitt vielleicht? Oder nur ein Moment des Innehaltens, um über das Vergangene zu reflektieren?

Menschen brauchen solche Abschnitte, um nicht die Orientierung zu verlieren. Genaue Angaben. Zeiteinheiten. Pünktlichkeit. Zeit ist zum kostbarsten Gut auf Erden geworden. Selbst der Reichste kann sich nichts davon kaufen.
Treibgut gleich haben wir uns dem Fluß der Zeit überantwortet. Der Fluß ist es, der uns vorandrängt, uns treibt. Nicht wir selbst.
Um uns herum und über uns hinweg spült das Leben selbst in grellbunten Farben und tosendem Lärm. Geblendet und betäubt werden wir fortgerissen. Für Ruhe bleibt uns keine Zeit. Niemand kann mehr stehenbleiben, ohne zuerst auf den Grund zu sinken, wo der Sand ihn bald begräbt.

Ich bin ein Kind unserer Zeit. Ich sah manchen, wie ein Stück Holz, immer oben treiben, und lustig auf den Wassern hüpfen, bis er dann in den Stromschnellen an einem Felsen zerbarst.
Auch mich hat der stete Strom rundgeschliffen, gleichförmig und gesichtslos gemacht in der Masse des Treibguts.
Zumindest war ich das, bis ich eines Tages vom Dickicht am Ufer aufgefangen wurde. Seither fließt all das bunte Treiben an mir vorüber, empört sich an meinem Stillstand. Doch glatt und rund wie ich bin, halte ich den Fluß nicht auf.